Trans GranCanaria 2017

March 14, 2017

Als ich Ende des letzten Jahres die Laufsaison 2016 Revue passieren ließ, war ich nicht nur überrascht, sondern auch sehr dankbar, dass mein Körper trotz vieler intensiver Trail- und Ultra-Bewerbe (Mozart100 Scenic, GGUT, Wörthersee-Trail-Maniak, Schneeberg Trail, WM Portugal…) keine allzu großen Verschleißerscheinungen davon getragen hatte. Ganz im Gegenteil fühlte ich mich im Dezember unerwartet fit und trainingsmotiviert. Dennoch wollte ich mir für 2017 keine „hard-core-Bewerbe“ über 70km vornehmen, sondern vielmehr im Bereich zwischen 50-70km Sicherheit gewinnen. Dass ich auf den langen Ultra-Distanzen noch viel zu lernen habe, um mit dem Rennverlauf und schließlich mit mir selbst zufrieden sein zu können, das habe ich letztes Jahr beim GGUT und bei der WM in Portugal deutlich eingesehen. Denn ob du mit einem Lauf zufrieden bist, sagt dir weder deine Uhr noch die Ergebnisliste.

Wie auch immer die eigentliche Wettkampfplanung für 2017 aussieht, für den Transgrancanaria-Trail Advanced (82km, 4300hm) war ich bereits angemeldet. Also wollte ich mich gezielt darauf vorbereiten; das hieß konkret: auch bei kalten Temperaturen viele lange Trainingsläufe um die 35km inkl. Höhenmeter sammeln, zwei zügige Halbmarathonbewerbe im Prater (unter 1:30), Ende Jänner bei BurgenlandExtrem die 60km in ca. 5h:08min, und das alles zusätzlich zu meinen täglichen Sportkursen. Alles lief gut und planmäßig, wenn sich nicht durch das bisschen „zu viel“ Training und „zu wenig“ Regeneration schmerzhafte Beschwerden im linken Oberschenkel ausgehend von der Hüfte eingestellt hätten. Ende Jänner war es so schlimm, dass es einfach nur dumm und selbstdestruktiv gewesen wäre, überhaupt bei einem Ultrabewerb zu starten. Konsequenz: Schonung, deutlich weniger trainieren als geplant, dem Körper Zeit geben, sich zu erholen - alles unter dem Motto „Vroni, du musst auch mal Ruhe geben.“ Bis zu unserem Abflug Mitte Februar wurden die Schmerzen zum Glück weniger, mein Laufstil sah allerdings noch immer markant „unrund“ und holprig aus und fühlte sich auch genauso an. Meine Hoffnung auf Besserung lag auf den wärmeren Temperaturen in Gran Canaria und einer Woche Wandern statt Laufen als Vorbereitung.

Die (Wander- und Lauf-) Reise selbst war in Kooperation mit dem Reisebüro Run42 (Anm.: existiert nicht mehr) zustande gekommen. Bestimmt als das motivierteste Team von 8 Leuten – alle aus meinen Laufkursen in Wien - machten wir uns am 19.2. sehr zeitig auf vom kalten Österreich nach Gran Canaria. Am Flughafen von Las Palmas wurden wir sofort von unserem Wanderguide abgeholt und ins Quartier nach Agüimes gebracht, von wo aus wir in den ersten Tagen große Teile der Strecke besichtigen bzw. bewandern wollten. Welch ein großer Vorteil es ist, die Strecke nicht nur in ihrem Profil zu studieren, sondern auch in Realität zu kennen und zu spüren, wurde mir schon vor dem Renntag bewusst. Zum einen gelingt es deutlich besser, die Kräfte dementsprechend einzuteilen und sich mental auf die „schwierigen“ Passagen einzustellen, zum anderen ist die Vorfreude auf die „geilen“ bergab-Passagen, die dann so richtig Spaß machen, ebenso ein guter Motivator. Und auch die Zeit, um die traumhafte und abwechslungsreiche Landschaft von Gran Canaria nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu genießen, Pausen und Fotos zu machen – ist unglaublich viel Wert. (Die Fotos im Folgenden von der Strecke wurden alle während den Wanderungen, nicht beim Lauf, gemacht.)

Mitte der Woche wechselten wir dann in den Zielort Maspalomas im Süden der Insel, wo wir auch endlich die Sommergarnitur auspacken konnten. Donnerstag – Startnummernabholung, Materialcheck, Testlauf etc. und am Freitag startete Verena, die erste aus unserem Team, über die 42km-Distanz. Wir alle fieberten mit und freuten uns sehr, dass sie gut und gesund ins Ziel kam und uns auch über die Beschaffenheit des letzten Streckenstücks, das wir noch nicht kannten, Infos mitlieferte.

Dann hieß es am Samstag auch für den Rest der Gruppe (die anderen liefen die 30km): Tagwache und Renntag! Um 4:15Uhr fuhr mein Bus pünktlich von Maspalomas ab und gute 1 1/2h zum Startort Fontanales ins nördliche Zentrum der Insel. Dann mussten die Läufer noch eine gute Stunde in der Kälte und Finsternis bis zum Start um 7:00 Uhr warten. Der Großteil drängte sich in eine kleine Bar, die bereits oder wohl eher extra früh geöffnet hatte; dort versuchte auch ich nicht total auszukühlen und „stand“ die restliche Zeit bis kurz vorm Start „ab“. Ungewollt wurde ich auf Grund meiner ITRA-Punkte in den Elitebereich ganz vorne gelotst, mit der Konsequenz, dass ich nach dem Startschuss fast überrannt wurde. Alle stürmten los, als wäre es ein 5km-Straßenlauf. „Nein, da mach ich nicht mit“, dachte ich etwas trotzig bei mir und lief von Anfang an mein Tempo, wenngleich es dafür auf den ersten Kilometern an den Engpassagen zu akutem Läuferstau kam. Aber ehrlich gesagt: um Sekunden geht es hier nicht, und spätestens als bei der ersten kleinen Bergwertung ab km5 die ersten zu gehen begannen, konnte ich reihenweise überholen. Die erste halbe Stunde war die Stirnlampe noch notwendig, dann ging bald die Sonne auf, überall zwitscherten die Vögel, und man konnte die prächtige, satt grüne Weite des Landesinneren sehen, sowie in naher Ferne das Meer.

Den Streckenabschnitt von Valleseco (km 7,5) nach Teror (km 13,6) hinunter kannte ich bereits und freute mich auf die schöne, wenn auch gatschige downhill-Strecke. Zuerst war ich noch etwas vorsichtig auf Grund meiner Hüft- bzw. Oberschenkelbeschwerden, dann machte es aber rasch richtig Spaß, zumal statt der Schmerzen nur mehr ein ganz leichtes Ziehen zu spüren war. Einzig aufpassen musste man darauf, sich nicht unabsichtlich an einem Kaktus festzuhalten. Gleichzeitig versuchte ich auch nach jenem Kaktusblatt am Wegesrand Ausschau zu halten, in das meine Gruppe „GO GO VRONI“ eingeritzt hatte :-)

Frau mit Kaktus
Landschaft

Nach der Ortschaft Teror kam die erste lange Bergwertung. Im Laufschritt packte ich meine Stecken aus und marschierte flott und zügig, wenn es bergauf ging, im Flachen oder bergab wurde wieder gelaufen.

Landschaft

Plötzlich kam ein Wetterumschwung - je höher, desto windiger, kälter, nebeliger wurde es, und ich nahm mir sogar die Zeit, meine Regenjacke auszupacken. Doch bald als die Strecke wieder bergab in ein anderes Tal nach Tejeda hinunterführte, änderte sich das Wetter schlagartig zum Besseren. Nach der Labestation bei km 28 kam bereits der nächste lange Anstieg zu dem markanten Aussichtspunkt Roque Nublo. Diesen Felsen kann man bei klaren Verhältnissen sogar vom Meer aus sehen, bei unserer Wandertour hatten wir leider solches Wetterpech, dass wir aus nur 30m Entfernung nur die Umrisse hatten wahrnehmen können.

Landschaft

Danach ging es laut Profil (dieses Zwischenstück kannte ich nicht) endlich bergab zur großen Labestation bei ca. der Hälfte der Strecke (km 39), doch nein - nur kurz bergab, und dann … schon wieder bergauf! Das war das einzige Mal, dass ich im Rennen eine Minikrise bekam, doch die 2 km bis El Garaňón wollte ich schon noch schaffen. Dort nahm ich mir Zeit eine kleine Portion Nudeln und Kartoffeln zur Stärkung zu nehmen. Ca. 6 Stunden hatte ich bisher gebraucht, dafür den Hauptteil der Höhenmeter bewältigt. Danach ging es wieder besser, und vorallem war jetzt das - wenn auch steile - Ende der langen, durchgehenden Anstiege in Sicht. Und dann bergab! Lange bergab (km 42 - km 51). Ach, das machte wieder richtig Spaß!! Da ich dieses traumhafte Streckenstück, das auch über den den Camino de la Plata, den sog. Silberweg, führte, kannte, hatte ich mich richtig darauf gefreut.

Landschaft
Landschaft

Im Ort Tunte (km 52) füllte ich wieder meine Trinkflaschen auf (anders als bei der WM in Portugal hatte ich diesmal immer zu viel dabei) und holte mental Schwung für den nächsten, vorletzten Aufstieg. Die Vorfreude auf die lange downhill-Strecke nach Ayagaures trieb mich außerdem an. Mittlerweile war es sonnig und heiß, aber glücklicherweise in einem erträglichen Ausmaß. Auch dieser Anstieg war rasch erledigt; gut, dass wir am höchsten Punkt eine längere Pause eingelegt haben, um die geniale Aussicht zu genießen.

Landschaft

… denn jetzt ging es gleich um die Kurve und das nächste Tal hinunter, rund 9 km flach und bergab. Ich konnte alles motiviert und fast noch spritzig laufen! Wovor ich am meisten „Angst“ gehabt hatte, war diese frustrierende Erschöpfungs-Situation, wenn du selbst im Flachen nur mehr gehen-laufen-gehen-laufen oder vielleicht sogar nur mehr gehen kannst.

Bei der vorletzten Labestation in Ayagaures tankte ich nochmals Flüssigkeit nach, essen konnte ich jetzt nichts mehr, obwohl die landestypische Paella in der riesengroßen gusseisernen Pfanne unter anderen Umständen sehr verlockend ausgesehen hätte. Der letzte Anstieg, technisch einfach, da eine normale Forststraße, wenn auch in unübersehbaren Serpentinen – und ich lief durch! Rein diese Tatsache gab mir ungemein viel Motivation für die letzten 12 km, und ich überholte sogar noch 2 Frauen. Wieder bergab und dann fast nur flach, durch ein (trockenes) Flussbett. „Das ist nicht leicht zu laufen“ - hatte ich im Vorfeld schon von einigen Seiten gehört. Vielleicht gerade deshalb, weil ich mich auf viel Schlimmeres eingestellt hatte, fand ich es beinahe schon wieder lustig von Stein zu Stein zu springen und quasi immer durch „vorausschauendes Laufen“ mir den besten Weg zu suchen. Bald war auch das geschafft, und ich kam dem Zielort und der Zivilisation immer näher. Bei km 3 war eine letzte Labestation aufgerichtet, die ich schnurstracks durchlief (nicht zuletzt, da an einem Tisch hängende gegrillte Fleisch-Spieße mit allzu starkem Odeur angeboten wurden). Nachdem die Strecke hier etwas sadistisch angelegt war und mehrmals in den Kanal hinunter und wieder hinauf verlief, war das Mühsamste zum Schluss, mehrmals die hohen Stufen hinauf und wieder hinunter „stacksen“ zu müssen, bevor es wirklich die letzten 1 1/2km nur mehr am Asphalt und am Gehweg neben der Straße Richtung Ziellinie ging.

Überglücklich erreichte ich nach 11h 18min das Ziel und wurde bereits von meinem lieben Team in Empfang genommen. Später erfuhr ich, dass ich es bei den Frauen sogar auf Platz 9 (von 73) geschafft hatte. Besonders freute mich aber, dass es allen meinen „Schützlingen“ ebenfalls sehr gut auf der 30km-Distanz ergangen war und ich in ausschließlich strahlende Gesichter schauen konnte.

Zieleinlauf Vroni
Die ganze Gruppe im Ziel

Am nächsten Tag ließen wir uns die Siegerehrung nicht entgehen und staunten über die Leistungen jener Sportler, die sich an die 125km und 265km-Distanzen gewagt hatten. Auch wenn die Nachwirkungen des Laufes noch deutlich zu spüren waren, gab es zum Abschluss einer sportlichen Woche, zwar unter kollegialem Stöhnen, noch ein Workout und Stretching unter Palmen. Dann hieß es schon wieder „bye, bye Cran Canaria“ und „hallo Wien“.

Läufer beim Workout in der Wiese liegend
Meer mit Abendstimmung