2x Meer - Dead Sea Run und Tel Aviv Marathon

March 3, 2022

Nach einer ungewohnt langen Wettkampfpause von rund 16 Monaten war es am 4. Februar endlich wieder so weit - ein erster Halbmarathon nach der Schwangerschaftspause. Abgesehen davon, dass in der unmittelbaren Zeit nach der Geburt von richtigem „Training" nicht wirklich die Rede sein kann, hing es in den letzten Monaten in erster Linie von meiner Tochter ab, wieviel Zeit ich tatsächlich zum Laufen nutzen konnte. Dafür waren meine Erwartungshaltungen für einen flachen Halbmarathon (der noch nie meine Stärke gewesen war) sehr gering: vielleicht 1:50, wenn’s gut geht, ein bisschen schneller; jedenfalls weit entfernt von meinen früheren Zeiten unter 1:30. Vielmehr beschäftigte mich außerdem, ob die Versorgung während des Rennens funktioniert, nicht von mir, sondern von unserer kleinen Maus ;-)

Mit dem Dead Sea Run (https://deadsea.run/en/) hatte ich mir definitiv einen ganz besonderen Lauf für den Wiedereinstieg ausgesucht. Auf der Homepage wird der Lauf mit „Running on the water at the lowest place in the world" beworben. Und die Kulisse ist wirklich einzigartig! Man startet in der Hotelstadt Ein Bokek und läuft von der Startlinie am Ufer direkt auf’s Tote Meer hinaus, auf dem Grenzdamm zwischen dem jordanischen und dem israelischen „Teil" des Toten Meeres.

Läufer am Toten Meer

(c) SportPhotography

An beiden Seiten des Dammes kann man die Salzkristalle auf der Wasseroberfläche bewundern. Die Strecke selbst ist dabei zwar flach, erfordert aber durch die unebene Schotteroberfläche dennoch Konzentration beim Laufen. Mit 5 verschiedenen Distanzen (5km, 10km, Halbmarathon, Marathon, 50km) ist auch für jede/n Läufer/in etwas dabei. Bei der Halbmarathon-Distanz läuft man zunächst auf’s Meer hinaus, dann Richtung Süden, Kehrtwende, wieder zurück, weiter Richtung Norden, wo der Damm wieder zurück ans Ufer führt, und hier die letzten ca. 5km zurück nach Ein Bokek. Alle 2-3km gibt es eine Labestation.

Läufer am Toten Meer

(c) SportPhotography

Das „Drum Herum" war bestens organisiert; Startnummernausgabe wurde bereits eine Woche vorher in Tel Aviv angeboten, im Startbereich gab es genügend Toiletten, und bei der Zielverpflegung konnte man sich u.a. auf erntefrische Orangen und saftig süße Datteln freuen. Mit in Summe 5000 Startern war der Lauf dieses Jahr ausverkauft, und ich war sehr glücklich darüber, noch einen Startplatz ergattert zu haben.

Wettbewerbe finden in Israel immer am Freitag statt, am Samstag, dem Shabbat, ist auch in dieser Hinsicht Ruhetag. Bei einer Startzeit von 7:00 Uhr klingelte der Wecker bei uns bereits um 2:30 Uhr, dafür war ich am Vorabend schon um 18:30 Uhr im Bett; Baby-Kuscheln ist eine neue entspannende Form des Taperings, die ich dabei für mich entdeckt habe ;-) Um 5:00 Uhr kamen wir in Ein Bokek an, pünktlich wachte unsere Tochter auf und bekam ein ausgiebiges Frühstück, das bis nach dem Lauf anhalten sollte. Danach saß sie gut gelaunt, munter und neugierig in der Babytrage bei meinem Mann. Ich hatte noch genügend Zeit mich zurechtzufinden, einzulaufen und stand 10 min. vor dem Startschuss sehr entspannt und freudig mit vielen anderen Läufern an der Startlinie. Dieses Gefühl, das nicht nur durch die Schwangerschaft sondern auch durch Corona schon lange zurücklag, war wieder da und fühlte sich gut an!

Beim Start

Natürlich startete ich viel zu schnell, aber egal! Mein Vorhaben, erst im Ziel auf die Zeit zu schauen, zog ich durch. Um zu bemerken, dass ich eher langsamer als schneller wurde, brauchte ich ohnehin keine Uhr. Richtung Süden kam etwas Gegenwind hinzu, aber ich genoss es richtig, endlich mal wieder „kämpfen" zu dürfen. Durch die Kehrtwende sah ich außerdem meine Platzierung als 3. Frau, was mich nicht nur positiv überraschte sondern auch motivierte.

Vroni auf der Strecke

(c) SportPhotography

Bei km 19 bekam ich ärgerlicher Weise einen schmerzhaften Stich in der linken Hüfte, meine Gelenke waren das schnelle Laufen einfach nicht mehr gewöhnt. Trotzdem schaffte ich es noch gut ins Ziel, wo ich sofort meinen Mann mit einem lachenden Baby umarmen konnte, und die Zeit 1:36:45 übertraf meine Erwartungen außerdem bei Weitem. Auch die Platzierung als 3. Frau konnte ich bis ins Ziel halten. Alles in allem ein geglücktes comeback :-)

Siegerehrung

Die Beschwerden in der Hüfte sollten allerdings leider noch länger anhalten. Obwohl ich nach dem Lauf richtig motiviert zu intensiverem Training gewesen wäre, war vielmehr Schonung angesagt, um bis zum nächsten Bewerb drei Wochen später wieder fit zu sein. Der Tel Aviv Marathon ist mit 40.000 Startern Israels größte Sportveranstaltung.

Auch hier waren die Startzeiten sehr zeitig angesetzt, der Halbmarathon war zunächst für 6:45 Uhr geplant, wurde dann sogar witterungsbedingt auf 5:45 Uhr vorverlegt. Nachträglich gesehen ein riesen Glück, denn als das arge Unwetter mit Sturm und Dauerregen einsetzte, saß ich bereits wieder im Trockenen beim Frühstück. Die Marathonis und Läufer anderer Distanzen, die noch auf der Strecke waren, beneidete ich wirklich nicht.

Das Start- und Zielgelände befand sich im weitläufigen Hayarkon-Park, wo sich die Menschenmassen richtig gut verteilten. Auch die verschiedenen Distanzen starteten zeitversetzt, sodass es nur kurz auf den ersten 200m eng wurde, bevor sich das Läuferfeld rasch verteilte. Als wir vom Parkplatz zum Start gingen, war es jedenfalls noch sehr dunkel; bei den Toiletten kam mir eine Dame mit Stirnlampe entgegen - keine schlechte Idee, das beim nächsten Mal auf die „Pflichtausrüstung" zu setzen :-P

Beim Start

Beim Einlaufen spürte ich leider noch immer sehr deutlich das Ziehen in der Hüfte, so war ich nicht sonderlich optimistisch eingestellt. Da wir diesmal etwas knapp dran waren, holte ich mir nur rasch zwei „good luck"- Bussis von meinem Betreuerteam, drängte mich zu den anderen Startern, Startschuss und los - ein leichtes VCM-feeling kam dabei auf ;-)

Beim Start

Wie so oft, hatte ich während des Laufs selbst keine Schmerzen, bewusst versuchte ich, ungewollte Ausweich-Bewegungen zu vermeiden und fand in einen guten Rhythmus. Als die Strecke direkt am Meer entlang führte, merkte man schon den aufkommenden Sturm; in der Stadt selber waren kaum Zuschauer, was mehr der frühen Uhrzeit als mangelndem Interesse geschuldet war. Ab km 9 ärgerte ich mich über einen Läufer, der meinte, mit seiner Musik-Box, aus der laute Rave-Musik ertönte, seine Mitläufer zwangsbeglücken zu müssen. Noch dazu hängte er sich an den nächsten Kilometern dicht an mich an, gerade, dass er mir seinen Lautsprecher nicht ans linke Ohr hielt. Wenn ich schneller wurde, zog er mit an, nahm ich Geschwindigkeit raus, ließ er sich ebenso zurückfallen. Nach einiger Zeit war ich wirklich verärgert, sodass ich ihm mit „I don’t like your music" zu verstehen gab, dass ich meine Ruhe haben wollte. Die Message kam zum Glück an; beleidigt lief er voraus und versuchte, ob die nächste Läuferin seinen Musikgeschmack teilte.

Im Vergleich zum Dead Sea Run fühlte ich mich zwar langsamer, trotzdem verging die Zeit schneller, über meine Zeit von 1:36:09 war ich jedenfalls überrascht; sogar etwas schneller als beim Dead Sea Run! Mit dieser - nüchtern betrachtet - durchschnittlichen Halbmarathon-Zeit wurde ich 29. Frau und 4. in meiner Altersklasse.

Im Ziel

Zum Glück fand ich meine Familie sofort und konnte ihnen entgegen humpeln. Hatte ich während des Laufs keine Beschwerden gehabt, so wurde das Ziehen in der Hüfte nach dem abrupten Stopp leider sofort wieder bemerkbar. Als wir uns auf den Weg zum Parkplatz machten, kamen uns gerade die Scharen der 10km-Läufer entgegen, die zum Start strömten.

Familie

Auch wenn ich schon wesentlich „sportlicher" unterwegs gewesen bin, es macht richtig Spaß, wieder Wettkampfluft zu schnuppern und nach der langen Pause daran zu arbeiten, wieder besser und schneller zu werden.