May 22, 2022
Ende April 2022: ziemlich genau ein halbes Jahr nach der Geburt meiner Tochter stehe ich beim Tavor Halbmarathon zum ersten Mal wieder mit „Biss" am Start. Ich möchte nicht mehr nur gut ins Ziel kommen, sondern auch so schnell wie möglich, nicht nur „mal schaun", sondern auch „mal beißen", wenn’s zwischendurch anstrengend wird. Ich hoffe, dass sich das angepasste Training der letzten Wochen bezahlt macht und ich diesmal vor dem typischen Eingehen zum Schluss verschont bleibe.
Seit dem Tel Aviv Halbmarathon Ende Februar habe ich noch an drei Bewerben teilgenommen, an der Dimona Race Challenge (30km/800hm, 1. Frau), in Österreich am Lindkogel Super-Trail (34km/1400hm, 2. Frau) und am LCC-Frühlingshalbmarathon – Frieden für die Ukraine (1:34:21, 2. Frau). Jedesmal war ich zwar zufrieden, doch jedesmal wurde es im letzten Drittel erwartungsgemäß sehr „zach". Völlig logisch, da ich im Training meistens gerade mal 1h unterwegs gewesen bin, selten länger.
Immerhin ist es ein großer Vorteil, zu wissen, was man im Training ändern kann, um wieder besser zu werden. Nach dem Motto „wer länger laufen will, muss früher aufstehen", stellte ich mir den Wecker nun regelmäßig auf kurz nach 5:00 Uhr. Ein Morgen- und Nüchternläufer war ich zwar davor eigentlich nie, um so überraschender, wie und dass sich der Körper schon nach einigen Malen auch an diese Situation anpassen kann. Nach einiger Zeit freute ich mich (fast) richtig darauf, früh aufzustehen, damit sich meine 90-120min. Laufrunde ausgeht.
Allen hier schon erfahrenen Mamis erzähle ich nichts Neues, wie sehr man die exklusive Zeit zum Laufen und Trainieren zu schätzen lernt. Hab ich früher mein persönliches Training manchmal spontan verschoben, um noch irgendetwas vorher zu erledigen, ist es jetzt immer ein ziemlich exaktes Zeitfester, das ich nutzen kann und möchte. Je mehr man herumbrodelt, desto kleiner wird es.
Außerdem habe ich das Glück, dass meine Tochter bei vielen Einheiten (wie Stabi-Training und Fitnessraum) äußerst kooperativ ist, gerne mit mir trainieren geht und ihren Spaß dabei hat, wenn ich vor ihr Hampelmann und Sit-ups mache. Im Großen und Ganzen haben wir eine gute „Running-Child-Balance" gefunden.
Die nun regelmäßig längeren Läufe hatten schließlich den erhofften Effekt – der Tavor Halbmarathon machte diesmal bis zum Schluss richtig Spaß! Auf dem letzten Kilometer konnte ich sogar noch Gas geben. Auch die Strecke war genau Mein’s - ein abwechslungreicher aber nicht schwieriger Trail entlang des Mount Tavor in der Nähe von Nazareth, immer wieder mit kurzen, knackigen Anstiegen. Über den ersten Platz bei den Damen freute ich mich natürlich sehr.
Nachdem ich mein „Comeback" mit zwei Halbmarathonen begonnen hatte, war mir spätestens bei der Dimona Race Challenge und besonders beim Lindkogeltrail bewusst geworden, dass ich immer noch am liebsten auf den Trails unterwegs bin. Der Lauf in Dimona war dabei sogar mein erster Wüstentrail und eine tolle neue Erfahrung, umgekehrt freute ich mich sehr auf die mir bekannte Strecke beim Lindkogeltrail in Bad Vöslau, bei dem ich schon zum 4. Mal an der Startlinie stand. Die Teilnahme hier hatte für mich außerdem eine emotionale Bedeutung: die letzte reale (nicht virtuelle) Auflage dieser Veranstaltung hatte Corona-bedingt 2021 Mitte Oktober stattgefunden, zu einem Zeitpunkt als ich gerade hochschwanger und vom Laufen meilenweit entfernt gewesen war. Allerdings lief mein Mann mit, und ich wanderte zügig vom Helenental auf den Lindkogel, um ihn zwischendurch anzufeuern. „Nächstes Jahr darfst wieder du!" war dabei unsere Abmachung.
So schnell vergeht die Zeit und nun laufe ich wirklich als glückliche Mama mit! Ich war/bin einfach nur dankbar, DASS es schon wieder geht, Zeit und Platzierung waren hierbei wirklich nebensächlich. Meine Erwartungen an mich selber trafen beim Lindkogeltrail auch ziemlich genau zu: beim längeren Bergauf-Stück auf den Hohen Lindkogel merkte ich das fehlende Höhenmetertraining und musste ziemlich bald gehen, und beim letzten flachen Drittel, wo ich in den Jahren davor nochmal Gas geben konnte, musste ich mich ziemlich motivieren. Dafür freute es mich ungemein, bergab nicht allzu viel an Sicherheit abgebaut zu haben, sondern richtig Spaß dabei zu haben. Allerdings musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Trailrunning-Rucksäcke nicht wirklich für stillende Frauen gemacht sind; nach 2 Stunden versuchte ich, mir den Rucksack weiterzustellen, aber so richtig bequem saß da nix mehr. Dennoch war ich überglücklich, diesen Bewerb als zweite Frau bei der Super-Trail-Distanz finishen zu können.
Zwei Wochen später gab ich mir dann noch beim LCC-Frühlingsmarathon die Halbmarathondistanz und freute mich wieder über eine kleine Verbesserung der Zeit.
Langsam aber doch taste ich mich wieder an längere Distanzen heran. Hierbei ist einerseits auszuloten, wieviel ich meinem Körper bereits wieder zumuten kann, andererseits, wielange ich meine Tochter ruhigen Gewissens „alleine" lassen kann und will. Auch wenn ich noch nicht so lange Mutter bin, hab ich bereits realisiert, dass nicht nur das Finden sondern besonders das Halten einer vernünftigen Running-Child-Balance eine konstante challenge ist und sein wird ;-)
Links zu den Läufen:
https://www.marathonisrael.co.il/en/israel-marathon/
https://www.lcc-wien.at/index.php?option=com_content&view=article&id=55&Itemid=27