September 20, 2022
Mit meinen Laufberichten bin ich leider ziemlich im Verzug. Was das zügige Erledigen von richtiger „Schreibtischarbeit" anbelangt, merke ich den Unterschied zwischen Mama-Sein und Nicht-Mama-Sein sehr deutlich. Schon längst ist meine Tochter so weit, dass sie gerne mittippen möchte, wenn ich mit dem Laptop neben ihr sitze. Konzentriertes Arbeiten wird immer schwieriger, und wenn sie schläft, gibt es zunächst jede Menge anderer Dinge zu erledigen, die dann meistens so lange dauern, bis sie wieder munter ist. Deshalb sind seit meinem letzten Blog-Eintrag schon fast vier Monate vergangen. Was geschah seither?
Am 26. Mai stand ich spontan beim 3. Furth-Göttweiger Donaulauf am Start. Die Teilnahme an diesem früher auch unter „3-Brückenlauf" bekannten Volkslauf weckte richtig nostalgische Gefühle in mir: schon vor ca. 15 Jahren bin ich hier in meiner zweiten Heimat, der Wachau, den Hauptlauf über 12,3 km gelaufen. Die späte Startzeit um 10:30 Uhr war ich gar nicht mehr gewohnt. Heiß war es, geschwitzt hab ich und erfreulicherweise gewonnen.
Der nächste Bewerb am 3. Juni fand wieder in Israel statt und war diesmal ein „richtiger" Berglauf auf den höchsten Punkt des Landes (2224m), den Mount Hermon. Anzumerken ist, dass der eigentliche Gipfel des Berges (2814m) in Syrien liegt, weshalb man, oben angekommen, auf militärisches Sperrgebiet stößt. Es gibt sogar eine Gondel, und im Winter kann man dort Schi fahren. Sehr speziell ist das Ambiente indes schon, wenn man aus dem Lift aussteigt und 200m weiter bewaffnete Soldaten das Weitergehen verbieten.
Zugegeben, ich hatte die Hermon Challenge etwas unterschätzt, obwohl sie als einziger Berglauf Israels bei der WMRA (World Mountain Running Association) gelistet ist. Der Start war wieder sehr zeitig um 6:00 Uhr, weshalb wir in dem nächst gelegenen Drusendorf Mashal Shams übernachteten. Mein Ziel war, noch das Frühstücksbuffet im Hotel zu schaffen… Bei der Ankunft im Startgelände war es noch finster, doch den wirklich unmittelbar steilen Anstieg die Schipiste hinauf konnte man schon gut sehen. Auch unseren Freund und Fotografen Tomer Feder (von ihm sind die folgenden Bilder) trafen wir schon „in den Startlöchern" an. Markus ging mit unserer Tochter in der Trage hinauf, gemeinsam mit Zoli und Regi, zwei guten isralischen Freunden. „When you hear the bell - the finish is very close", sagte Zoli zu mir. Was das wohl bedeuten sollte…? (Auflösung siehe übernächstes Foto!)
Als der Startschuss fiel, war es bereits sehr schwül, und nach den ersten 200 hm wurde mir von der Kombination aus Hitze mit starker Anstrengung richtig schwindelig, doch bald war der erste Anstieg zur Bergstation geschafft. Die Sprintdistanz hatte damit genug, für den Hauptlauf ging es weiter einen netten Trail wieder hinunter.
Vom Start an lag ich in Führung bei den Damen, bergab stresste ich mich deshalb nicht und war überrascht, als mich gegen Ende des Downhills eine Dame überholte. „Das kommt davon, wenn man sich zu siegessicher glaubt", ärgerte ich mich über mich selbst, gleichzeitig spekulierend, dass ich mir beim zweiten, noch längeren Anstieg den ersten Platz wieder zurück erobern könnte. So war es dann auch: Kehrtwende und wieder hinauf, ich holte mir die Führungsposition zurück und konnte meine Verfolgerin bald abhängen. Auch dieser zweite Anstieg hatte es in sich: sehr steil und teilweise mit Geröll. Doch in der Ferne hörte ich bereits eine Glocke läuten… und schließlich konnte ich auch Zoli und Regi sehen, die kurz vor dem Ziel die Läufer anfeuerten.
Jippie - Ziel bei der Bergstation erreicht und erste Frau! Auch die Chancen, das Frühstück bis bzw. vor 10:00 Uhr zu schaffen, standen gut. Vor der Siegerehrung wollten wir noch etwas herumspazieren, doch davon wurden wir sehr schnell von israelischen Soldaten abgehalten: „bis hier und nicht weiter". Wie so oft, verzögerte sich die auf 8:30 Uhr angesetzte Siegerehrung … wurde es nun doch noch knapp mit dem Frühstück?
Nein, es sollte sich alles ausgehen. Ich erhielt meinen Preis und nahm den Abstieg mit Kind und Gondel, während Markus hinunterlief. Um 9:30 Uhr saßen wir gemütlich beim schon verdienten Frühstück.
Nach der Schwangerschaft und nun mit Baby durfte ich mich wirklich nicht über meine Wettkampfresultate beschweren. Das Wichtigste: Laufen macht(e) wieder Spaß. Die Wettkampf-Strecken wurden immer länger und bei den Wettbewerben selbst machte Erfahrung den einen oder anderen Trainingsrückstand wieder wett. Am meisten Trainings-Defizite merk(t)e ich beim Bergablaufen auf technisch anspruchsvollen Trails, aber das ließ sich momentan nicht ändern. Zeit für ein Trainingslager in den Bergen hatte ich einfach nicht. Doch wo wollte ich hin? Welche Saisonziele anstreben?
Man könnte sagen: Einmal Ultra-Läufer, immer Ultra-Läufer. Jedenfalls war und bin ich mehr dazu motiviert, Distanzen und Höhenmeter zu steigern, als auf neue Bestzeiten über 10km oder Marathon hinzutrainieren. Einen Ultratrail zu laufen ist, wie sich auf eine kleine Reise, ja - auf ein Abenteuer! - mit sich selbst zu begeben - und dieses Gefühl wollte ich wieder erleben. Auch unsre Tochter war mittlerweile so weit, länger vom Mutterbusen getrennt zu sein. So standen zwei Ultra-Bewerbe auf meiner Agenda, die man, oder zumindest ich, jedes Jahr laufen könnte, weil sie einfach so besonders sind: erstens der Ötscher Ultramarathon, zweitens der Großglockner-Ultratrail.
Ersterer wurde leider kurzfristig abgesagt, findet aber hoffentlich 2023 wieder statt. Bei zweiterem schwankte ich bei der Anmeldung zwischen den 84km und 53km, entschloss mich aber schließlich für die längere Distanz mit der Option im Hinterkopf, mich immer noch auf die kürzere ummelden zu können. Nachdem der Ötscher abgesagt worden war, suchte ich noch nach einem distanzmäßigen Ersatz, denn vor 84km wollte ich zumindest einmal einen Bewerb um die 50km bestreiten. Ich stieß auf den Veitscher Grenzstaffellauf (25. Juni), bei dem ich bereits vor 9 Jahren einmal teilgenommen hatte. Die Großeltern waren bereit zum Babysitten, sodass Markus und ich seit langer Zeit wieder gemeinsam am Start stehen konnten.
Dabei hatten wir am Wettkampftag noch unerwartet Stress… Zeitgerecht machten wir uns von unserem Quartier in Krieglach mit dem Auto auf nach Veitsch. Zuerst leitete uns das GPS über den Radweg, danach waren wir aber wieder auf dem „richtigen Weg". Bei der Ortseinfahrt sahen wir ein paar Läufer. „Ob die wohl auch mitlaufen?", fragte Markus. „Nein, die haben keine Startnummer… SCH…!! Wir haben die Startnummer vergessen!", die wir uns tags davor bereits abgeholt hatten. Schnell umgedreht und wieder zurück. Puls ist auf 180. Kommen wir noch rechtzeitig vorm Start an? Geht sich Aufs-Klo-Gehen noch aus…? Meine Mutter hatte unsere Nummern schon griffbereit zurechtgelegt. Nochmal los zurück nach Veitsch. Knappe 15min. vor dem Startschuss kamen wir an und fanden zum Glück sofort einen Parkplatz. Das ist sich diesmal haarscharf ausgegangen.
Nach der ganzen Aufregung war das Laufen dann fast entspannend. Doch trotz guter Wettverhorsage fing es bald zu regnen an. Bei meiner Renneinteilung hatte ich mir vorgenommen, nach Möglichkeit bis zum steilen Part in der Mitte (dem sog. „Teufelssteig") alles durchzulaufen, dann zu gehen und danach wieder alles zu laufen. Gespannt war ich auf meine Zeit im Vergleich zum fast ein Jahrzehnt zurückliegenden ersten Mal. Aber plötzlich hieß es kurz vor einer Labestation: „Streckenänderung!" Direkt während des Laufs und ohne Vorankündigung hatte ich das auch noch nie erlebt; beim Start war diese Eventualität nicht mal erwähnt worden. Es sollte noch gute 5km weiter bis zum Beginn des Teufelssteiges gehen, dann Kehrtwende und die gleiche Strecke nach Veitsch zurück.
Wie der Großteil der Läufer war ich zunächst enttäuscht, aber was sollte man machen?! Wenn die Bedingungen (schlechte Sicht, Wind und Regen) zu gefährlich sind, muss man die Entscheidung des Veranstalters respektieren; einzige kritische Anmerkung: obwohl immer wieder von Veitscher „Trailrun" die Rede war, gab es keine vorgeschriebene Pflichtausrüstung wie Rettungsdecke oder Regenjacke, Haube und Handschuhe…
Nach der Kehrtwende sah ich jedenfalls, dass mein Vorsprung auf die zweite Frau bereits relativ solide war. Motivierend war außerdem, meinen flotten Mann kurz zu treffen :-) Meine Krafteinteilung definierte ich kurzerhand um, indem ich mir nun vornahm, auch alle Gegensteigungen durchzulaufen; was mir auch gelang. Die schließlich 43km statt 50km (und ~1500hm) finishte ich in 3:51:37 als erste Frau.
Danach war wieder über einen Monat Rennpause bis zum Großglockner-Ultratrail am 30. Juli, meinem eigentlichen Saison-Ziel und Highlight. Es wird zwar wieder etwas dauern, doch zum GGUT möchte ich einen eigenen Bericht und Blog-Eintrag schreiben. Mit dem Resultat, 3. Frau und 13h 35min bin ich jedenfalls sehr zufrieden.
Nach dem GGUT ging es gleich am nächsten Tag los in den schon länger geplanten Interrail-Urlaub. In den drei Wochen kam ich selten zum Laufen, und das erste Mal danach mit den vom Sightseeing schweren Beinen fühlte sich furchtbar an. Somit stieg die Nervosität noch mehr bis zu meinem nächsten Lauf, dem Petra Desert Marathon am 3. September. Dieser Lauf war eigentlich jener, der nach der Schwangerschaft und Babypause als erster fixiert worden war, hatte ich doch den Startplatz für diesen außergewöhnlichen Marathon von Markus zu Weihnachten bekommen.
Was war das für ein abwechslungsreiches Laufjahr?! Jetzt kam mein erster Wüstenmarathon! Temperaturen um die 39 Grad waren untertags zu erwarten. Zum Glück war auch hier der Start bereits um 6:30 Uhr. Am Tag vor dem Rennen war ich alles andere als zuversichtlich: in der Nacht hatte unsere Tochter schlecht und wenig geschlafen, somit auch ihre Eltern und von der langen Anreise hatte ich starkes Kopfweh. Beim race briefing traf ich unverhofft einige jordanische Läufer, die vor Corona regelmäßig zum Ötscher-Ultratrail gekommen waren. Obwohl ich müde war, kam mit der Startnummer in den Händen die Renn-Motivation langsam in mir auf. Und das setting hier in der Wüste war schon jetzt sehr beeindruckend.
Glücklicherweise war die Nacht diesmal erholsamer, das Kopfweh am nächsten Morgen weg und die Motivation wieder da. Um 5:30 Uhr war Treffpunkt für alle Teilnehmer beim Visitor Center, von dort marschierten wir 2 km hinein in den archäologischen Park, wo der Start vor der „Treasury" aufgebaut war. Mir war vorher nicht bewusst gewesen, welche beeindruckende Größendimension Petra hatte…
Dass der Marathon „a bit hilly" sein würde, hatte ich im Vorfeld schon gehört, dass die Strecke aber in Summe über 1000 positive Höhenmeter in sich hatte, kam dann doch etwas überraschend. Ich teilte mir meine Kräfte gut ein, startete langsam und achtete darauf, ja nie zu überhitzen. Während der ersten 2 Stunden gab es sogar ab und an noch schattige Plätze auf der Strecke. Von jeder Labestation, die es ca. alle 3km gab, nahm ich mir eine kleine Flasche Wasser mit. Später sogar zwei. So kam ich ganz gut über die Runden. Nach 3h 48min finishte ich als erste Frau und überraschend als 3. overall.
Jetzt ist wieder Wettkampfpause angesagt. Zwei Marathone habe ich aber dieses Jahr noch vor: im Oktober den Salzkammergut-Marathon beim Wolfgangseelauf und im Dezember in Eilat meinen zweiten Wüstenmarathon.
https://www.marathonisrael.co.il/en/event/hermon-challenge/